Ist Gendern eine Frage des Alters? Ist das überhaupt die Frage? Genderst Du noch oder schreibst Du schon fragte ich letzte Tage provokant. Im Blog aber auch in sozialen Medien war die Resonanz vielfältig. Natürlich sprang auch sofort der ein oder andere Pawlowsche Hund über das hingehaltene Stöckchen: „Boomer-Ding! Klar, dass Ihr Alten das nicht versteht“
Machste nix, war mir vorher schon glasklar, dass sowas kommt.
Ich würde das jetzt an und für sich huldvoll lächelnd an mir abprallen lassen. Wenn da nicht die ein oder andere Stimme aus meiner Generation wäre, die sich verunsichert selber fragt, ob Gendern eine Frage des Alters ist. Oder schlimmer: sich nicht traut, die Abneigung gegen das Gendern offen zuzugeben. Deswegen, meinetwegen: Widmen wir uns der Frage:
Ist Gendern eine Frage des Alters?
Eine Einordnung vorweg:
Auf die Gründe pro und contra Gendern gehe ich in diesem Artikel nicht mehr explizit ein. Diese Diskussion hat ihren Platz im Artikel 11 Gründe, warum ich nicht gendere. Lesenswert dort sind auch Eure bisherigen Kommentare. Ich freue mich weiter über jede Beteiligung.
Worüber ich mich grundsätzlich nie freue:
Über stereotypes Denken. Ich hasse es, wenn Argumente aus Schubladen gezogen werden. Ich hasse es, wenn ich in eine Schublade gesteckt werde. Und ich hasse es, wenn mein Blog in eine Schublade gesteckt wird. Ja, dieser Blog beschäftigt sich mit den Dingen, die das älter werden mit sich bringen.
Das heißt aber im Umkehrschluss nicht, dass wir als ältere Generation uns nur mit altersbedingten Themen beschäftigen. Älter werden heißt ganz und gar nicht, dass uns gesellschaftliche, politische, kulturelle Themen nicht mehr interessieren. Uns interessiert (fast) alles und deshalb können wir auch über alles diskutieren. Auch über das Gendern.
Was hat Gendern mit älter werden zu tun?
Von daher lautet die Antwort auf die Frage, was gendern mit älter werden zu tun hat:
Alles. Und auch nichts.
Es ist ein Thema unter vielen, welches uns begegnet. Für mich ein Thema, welches mich anfasst. Ein Thema, mit dem ich mich auseinandersetze. Das allerdings definitiv nicht aufgrund meines Alters, sondern aufgrund meiner Affinität zum Schreiben.
Sprache ist etwas, was mir am Herzen liegt. Ich mag es, damit Menschen zu erreichen und zu berühren. Das schaffe ich mit Gendersternchen ganz sicher nicht. Als Autorin, als Bloggerin ist Gendern somit ein Thema, zu dem ich eine Meinung habe. Zu dem ich eine Haltung einnehme.
Ich könnte jetzt provokativ sagen, dass ich Gendern schrecklich finde, weil ich eben schon länger spreche und schreibe als 30jährige. Das stimmt aber insofern nicht, als ich verbindlich sagen kann, dass auch viele jüngere genervt vom gendern sind und das nicht möchten. Ich kann auch verbindlich sagen, dass noch mehr Ältere davon genau nichts halten. Die sind nur vielleicht weniger genervt. Haben sie doch schon viele Trends kommen und gehen sehen.
Ist Gendern ein Trend?
Für mich ganz klar ja. Gendern ist ein Trend, keine Entwicklung. Ein Trend, der seinen Höhepunkt meiner Meinung auch bereits überschritten hat. Ganz altersunabhängig war ich noch nie ein Mensch, der sich von Trends hat beeindrucken lassen. Trends beobachte ich gerne aus der Distanz.
Oder noch besser:
Ich setze sie lieber gleich selbst. Und da kommt dann doch mein Alter ins Spiel. Denn der Trend, den ich bekanntermaßen gerne setzen möchte: gelassen und entspannt älter zu werden. Und dabei wenn nicht jetzt, dann vielleicht nie die Chancen und Freiheiten zu nutzen, die wir jetzt haben. Dazu gehört auch die Freiheit, einfach zu sagen, was ich denke.
Auch beim Thema Gendern: Jeder, wie er meint
So ist es auch im vorhergehenden Artikel. Ich habe meine Gründe genannt, warum ICH nicht gendere. Ich schrieb aber auch, dass ich keinen Erziehungsauftrag möchte. Heißt im Umkehrschluss: Wer gendern möchte, soll das tun. Jeder so wie er es will.
Gelassenheit im Alter bedeutet auch:
Jeder Jeck ist anders und das gestehen wir ihm zu. Ich wettere nicht dagegen oder versuche, missionarisch vom gendern abzubringen. Aber und das ist ein ganz großes ABER: Wenn wir das anderen zugestehen, dann vice versa. Gilt nicht nur beim Thema Gendern. Auch das wurde in den Kommentaren zum ersten Beitrag sehr deutlich. Soll gendern, wer will. Aber warum sollen sich alle danach richten?
„Du schaltest ab, wenn gegendert wird“
Einspruch stattgegeben. Das mache ich tatsächlich. Im besten Fall verdrehe ich die Augen und lasse es über mich ergehen. Oft genug aber verlasse ich den Text oder die Sendung, wenn mir das Gegendere zu viel wird. Verbuche ich unter persönliche Freiheit und steht somit für mich nicht im Widerspruch zu meinem Jeder Jeck ist anders Statement. Ich kann mir aussuchen, wen ich lese oder höre. Gestehe ich im Umkehrschluss allen anderen ja auch zu. Zum Abschluss die Frage:
Ist Gendern wirklich so ein Riesen-Thema?
Nein. Ist es nicht. Tatsächlich nicht. Es gibt weitaus drängendere und dringendere Fragen, mit denen sich die Gesellschaft, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen. Die Motivation meines ersten Artikels dazu wart Ihr, meine lieben Leserinnen und Leser: Ihr liegt mir am Herzen und Ihr sollt wissen, warum ich in diesem Blog nicht gendere. Das wollte ich klarstellen. Mehr nicht. Die nachgeschobene Einordnung hier ist auch aus der Diskussion heraus entstanden und war mir eine Antwort wert.
Der Gag am Rande: Und was ist mit den Liebeleins?
Das hat mich zwar keiner gefragt, aber es fiel mir letzte Tage selbst auf. Wenn ich mein „Tach auch Liebeleins“ sage, ist das nicht auch eine Form des Genderns? Tja. Klarer Fall von kariert gucken. Irgendwie schon. Aber irgendwie auch nicht. Denn Liebeleins ist zwar geschlechter-unabhängig, aber dennoch wertend und alles andere als neutralisierend. Aber vor allem ist Liebeleins eines: Ein Kosewort mitten aussem Pott. Für die, die wichtig sind. So nämlich.
Fazit zur Frage, ob Gendern altersabhängig ist
Gendern ja/nein/vielleicht ist keine Frage des Alters. Gegen das Gendern zu sein ist kein Boomer-Ding. Die Frage führt sich selbst ad absurdum. Nervig an dieser Frage ist vor allem eines: Schubladendenken. Und deswegen mache ich hier und jetzt die Schublade Gendern zu. Einen kleinen Spalt lasse ich aber offen:
Die Kommentare! Ist Gendern eine Frage des Alters? Was meint Ihr?
Hallo Britta, ich habe das Gefühl bei den links-grünen Kreativen und Medienschaffenden ist Gendern inzwischen ziemlich normal (z.B. Theater, Geisteswissenschaften, Filmhochschule). Allerdings gendern die auch nicht durchgehend alle dafür in Frage kommenden Ausdrücke, aber auf jeden Fall die Anrede und dann noch ein paar weitere Ausdrücke, aber eben nicht durchgehend alles. Schlimm finde ich auch `Studierende´oder `Teilnehmende´, einfach weil es falsches Deutsch ist, aber das hat sich in dem ganzen offiziellen Schriftzeugs schon durchgesetzt, so dass ich, wenn ich in einem bestimmten Umfeld einfach `Studenten` sage/schreibe, immer befürchte, dadurch als rechts eingeordnet zu werden, aber ich bin da wie du: Studenten klingt für meine Ohren schöner, und das ist das Entscheidene! LG Siri
Liebe Siri,
ich weiß auch nie, was ich schlimmer finde: Das holprige Sternchen-Deutsch oder grammatikalisch falsche neutralisierende Deutsch. Ich kann es auch überhaupt nicht leiden, neutralisiert zu werden. Das ist weder höflich noch rein fachlich korrekt.
Schlimm finde ich, wenn man Angst haben muss, als rechts eingeordnet zu werden, bloß weil man Studenten sagt. Ich sag ja aus Prinzip Studentinnen und Studenten mit dem süffisanten Zusatz „Soviel Zeit muss sein“ , dann gelte ich in erster Linie als schrullig. Ich glaube allerdings nicht, dass Du so schnell als rechts eingeordnet wirst. Jedenfalls nicht von der Mehrheit. Von einer lautstarken Minderheit, die das gerne als Totschlagargument nutzt, durchaus schon. Das beobachte ich auch zum Teil in sozialen Medien. Finde ich auch sehr gefährlich. Das treibt die Menschen in Trotzreaktionen. Und der inflationäre Gebrauch von „rechts“ als Schimpfwort relativiert die Gefahren des Extremismus, meiner Meinung nach. Außerdem sollte rechts eigentlich was ganz Normales sein, in dem Sinne von links die SPD, rechts die CDU . Nur so kann ich doch klar zum Extremismus abgrenzen. Ja, ein weites Feld wie Effi Briest sagen würde. Womit wir wieder bei der Sprache wären.
Danke Dir für Deinen Kommentar
Liebe Grüße
Britta
Ich bin vor allem gespannt, ob sich das Gendern durchsetzt. Bei mir jedenfalls nicht. Was noch hinzu kommt: Die ältere Generation nimmt noch einen Großteil der Gesellschaft ein. Wenn hier keiner mitmacht wird sich das nicht durchsetzen. Insofern könnte es doch was mit dem Alter zu tun haben. Aber auch unter der jüngeren Generation kenne ich keinen, der gendert. Ich höre und lese es eigentlich nur in den Medien.
Liebe Grüße
Sabine
Liebe Bine,
so gesehen hast Du Recht. Es passt vielleicht nicht jedem, aber an den Älteren vorbei klappt halt wenig. Da kann man noch so laut Boomer schreien, aber wir sind halt viele.
Ich kenne soweit auch keinen, der gendert. Auch in Blogs sehe ich es eigentlich nicht. Und bei mir wird es sich auch nie durchsetzen.
Liebe Grüße
Britta
Liebe Britta,
ein absolutes spannendes Thema. Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Klar, in den Medien und auch sonst wo, bekomme ich das mit. In den Zeitungsanzeigen auch. Aber so richtig mit dem Thema befasst habe ich mich damit nicht. Weil ich der Meinung bin, leben und leben lassen. Wie Engelchen, stecke ich auch seit meines Lebens in der Einzelkindschublade und das nervt gewaltig. Da muss ich doch mal bei meinen Kollegen darauf achten, ob da jemand gendert, weil die meisten haben Kinder. Von der Grundschule bis Richtung Abi. Danke für diesen wertvollen Gedankenanstoß.
LG, Elke von einfachelke.de
Liebe Elke,
eigentlich ist es ja ganz gut, dass es Dir noch nicht so aufgefallen ist. So geht es wahrscheinlich vielen Menschen, dass es schlicht ihre Lebenswirklichkeit nicht betrifft.
Und ja – Schubladen nerven gewaltig. Dieses in Schubladen stecken trägt m.E. auch dazu bei, dass viele Menschen sich genervt abwenden. Das Leben hat halt viele Zwischentöne.
Liebe Grüße
Britta
Liebe Britta,
herzlichen Dank für deine frischen Worte, die mir beim Lesen wie fröhlich-rollende Kieselsteine entgegenströmen.
Und JA: ich bin vollends deiner Meinung, dass Gendern ja oder nein nichts mit dem Alter zu tun hat.
Klar sind wir Älteren schon länger mit unseren Gewohnheiten unterwegs als Jüngere, aber Sprache begleitet uns eben auch unser Leben lang.
Ich unterscheide für mich zwischen Schrift- und Sprechsprache – daher übe ich mich in einem Spagat zwischen dem Gender: und anderen kreativen Wortgestalten.
Niemals jedoch werde ich diese klitzekleine Pause beim Sprechen üben, und ja: spätestens dann rolle auch ich die Augen und „steige aus“.
Und genau das ist das Tolle an UNSERER Errungenschaft des Älterwerdens: dass wir aussteigen können, uns das Recht nehmen (weil wir es haben) und uns dem widmen, das uns keine Irritation, Nervenkraft oder ähnliches aufbürdet.
Viele Grüße in deinen Feiertag
Gabi
Liebe Gabi,
zumindest das scheint dann doch am Alter zu liegen: In den wesentlichen Punkten sind wir uns einig !
Und ja – zusätzliche Irratationen, die uns Nerven kosten, brauchen wir nicht und nehmen wir auch einfach nicht mehr.
Beim Gendern unterscheide ich tatsächlich nicht zwischen Schrift- und Schreibsprache. Ich nehme mir auch gesprochen auch immer die Zeit, beide Formen auszusprechen. Ich war ja lange Vertrieblerin, das sitzt einfach so drin. Ansonsten spreche ich aber doch anders als ich schreibe. Im täglichen Umgang spreche ich schon sehr ruhrpöttisch mit allen – gewollten – Grammatikfehlern. Oft genug mit niederländischen Vokabeln dazwischen. Geschrieben benutze ich das nur sparsam als Stilmittel.
Liebe Grüße auch an Dich in den Feiertag
Britta
Ich denke absolut nicht dass das eine Frage des Alters ist! Ich kenne viele jüngere Leute und von denen gendert auch absolut Niemand! Ich kenne tatsächlich Niemanden persönlich der überhaupt gendert, egal in welcher Altersklasse…!
Und das mit den Schubladen regt mich auch schon immer total auf! Ich stecke ja schon mein Leben lang in der „Einzelkindschublade“ und in der „Du bist so dünn weil du so wenig isst“ Schublade! Natürlich stecke ich da nur bei Leuten drin die mich kaum kennen denn alle anderen wissen es einfach besser…!
Ich kenne persönlich auch niemanden. Es begegnet mir eigentlich immer nur in den Medien. An meinem Arbeitsplatz war es so, dass viel Wert auf die korrekte Ansprache gelegt wurde. Also die sehr geehrten Damen und Herren, oder in internen Emails immer die „liebe Kolleginnen und Kollegen“ . Das hat mir immer gefallen. Aber niemand hat liebe Kolleg:innen geschrieben und soweit ich weiß, ist das heute auch noch so.
Ach ja – die Schubladen. Immer wieder erstaunlich eigentlich, woher dieses Bedürfnis kommt, die Menschen in Schubladen zu stecken. Manchmal denke ich, das ist eine typisch deutsche Sache. In den NL empfinde ich es nicht so. Aber das ist wahrscheinlich auch wiederum eine Schublade.
Gut, dass wir es besser wissen
Moin du Liebe.
Ich finde es so grausam, wie man uns von einer Schreibweise in die nächste schieben möchte. 😔 Nein danke, mit mir nicht. Die Generationen nach uns tun mir so leid. Deine Meinung dazu teile ich total mit dir.
Habt ein schönes WE.
LG Gina
Moin liebe Gina,
Ich glaube, es sind viele, die Nein danke sagen. In Teilen scheint sich ja schon die Erkenntnis durchzusetzen, dass man damit eher Zielgruppen vergrault als gewinnt.
Ich wünsch Euch auch ein schönes Wochenende
LG Britta