Während unserer letzten Bootstage des Jahres gab es neben einer erwarteten Sturmwarnung auch eine eher ungewöhnliche Wetterwarnung: eine Ruhe vor dem Sturm Warnung. In eindringlichem Ton verfasst.
Seitdem überlege ich, ob und wie so eine Warnung auch für das ganz normale Leben sinnvoll wäre.
Was ist eine Ruhe vor dem Sturm Warnung?
Mitte Oktober fuhren wir zum Ende der Bootssaison noch einmal nach Friesland/NL und verbrachten die letzte Bordwoche des Jahres bei meist starkwindigem Wetter. Wie so oft in diesem Jahr. Manche Windböen erreichten bereits Sturmstärken, ganz in unserer Nähe wurde sogar ein Tornado beobachtet. Der aber harmloser war als sein Name und sich ablandig schnell über dem Wasser auflöste. Schäden keine. Dies nur am Rande.
Mit dem Winterlager-Meister hatten wir verabredet, unser Boot am Mittwoch, 22. Oktober zu bringen. Die 5-Tages-Vorhersage meldete für diesen Tag gutes Wetter, für die Tage danach aber ständig steigende Windstärken. 2025 war ein Jahr für alle, die noch nicht sturmerprobt sind und es werden wollten. Sie bekamen reichlich Gelegenheit zum üben. Mir stand der ständige Starkwind bis sonst wohin, ich checkte die Tage vorher fast stündlich die Wettervorhersagen.
Von Calm before the storm bis Code Orange
Am Dienstag, 21. Oktober kam die erwartete Sturm- bis Orkanwarnung für das Wochenende rein. Für die Küstengebiete wurde bereits Code Orange ab Donnerstag ausgerufen, erwartet wurden hohe Niederschlagsmengen, Windgeschwindigkeiten von über 120 km/h – es könnte der bisher schwerste Sturm des Jahres werden. In einem an Stürmen nicht armen Jahr!
Zugleich bekamen wir eine Wetterwarnung, die ich so noch nicht kannte: Für Mittwoch, den 22. Oktober wurde Calm before the storm1 ausgerufen! Ruhe vor dem Sturm. Ruhiges sonniges Wetter war angesagt, es würde ein schöner Spätsommertag werden. Eindringlich wurde vor trügerischer Ruhe gewarnt.

Schon in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag könne es losgehen. Man solle den Mittwoch unbedingt dafür nutzen, alles sturmfest zu machen. Boote, Camper, Gärten, Terrassen, keine Autos unter Bäumen stehen lassen, Fahrräder und Mülltonnen reinholen usw.
„Erliegen Sie keinen Illusionen. Nutzen Sie den Tag unbedingt, um Vorsorge zu treffen.“ So schrieb es der lokale Nachrichten- und Wetterdienst.
Der Ruhe vor dem Sturm Tag
Oha. Genau das war unser Plan für den Mittwoch. Geschenk zum Ende der Saison: gutes Timing. Der Ruhe vor dem Sturm Tag begann tatsächlich ausgesprochen ruhig. So windstill war es lange nicht. Es war warm, die Sonne schien. Im Hafen wurde es geschäftig. Die Hafenmeister werkelten, etliche Bootseigner kamen, um Vorkehrungen zu treffen, die Camper reisten ab. Ein Charterschiff fuhr gemütlich durch den Kanal, die darauf urlaubenden Deutschen waren offensichtlich begeistert vom schönen Wetter. Ich hörte sie im Vorbeifahren sagen: “ ist doch schönes Wetter geworden. Dann können wir doch die große Route fahren diese Woche“ Glückauf. Pro-Tipp: Deutsche Wetter-Apps in Friesland sind ähem Glückssache.
Gegen Mittag – kurz vor Abfahrt – bildete sich wie aus dem Nichts eine riesengroße Wolke, die sich heftig über unserem Hafen entlud. Ja, danke dafür. Abschiedstränen vermutlich. Wir sind auch traurig. Danach legten wir ohne weitere Zwischenfälle ab. Es ging gemütlich tuckernd ins Winterlager. Eine schöne ruhige letzte Fahrt des Jahres. Auf dem Heeger Meer war allerdings gut Betrieb, ich hoffe, alle sind am Ende des Tages in einem ruhigen Hafen gelandet. Bei uns lief alles glatt, auch die Fahrt nach Hause.
Nach der Ruhe vor dem Sturm
Der Orkan fand alsdann ohne uns statt, wir wetterten gemütlich zuhause ab, verfolgten aber gebannt die Entwicklungen in der zweiten Heimat. Es wurde so stürmisch wie erwartet, aber es passierten keine Katastrophen. Die Ruhe vor dem Sturm Warnung hatte funktioniert, Privatleute und offizielle Stellen hatten alles gut vorbereitet. Alle Pumpwerke liefen, Staumauern waren geschlossen, es gab nur kurzzeitig temporäres Hochwasser bei Flut an den Wattenmeerstränden. Bootsunglücke wurden diesmal nicht gemeldet, alle gesichteten und belauschten Bootsfahrer haben wohl einen guten Hafen gefunden.
Es war auch nicht der schlimmste Sturm, den wir mitbekommen haben in all den Jahren. Wir kennen es noch schlimmer. Unvergessen die Tage, in denen in Joure festsaßen, weil selbst die offenstehenden Schleusen schlossen und später die komplette Schifffahrt eingestellt wurde. So schlimm war es diesmal nicht. Aber es war das erste Mal, dass eine Ruhe vor dem Sturm Warnung rein kam.
Leben im Ruhe vor dem Sturm Modus – eine gute Idee?
Der eindringliche Ton dieser Warnung hat mich beeindruckt, das gebe ich zu. Seitdem frage ich mich: Lässt sich diese Ruhe vor dem Sturm Warnung auf das normale Leben übertragen? Ist es sinnvoll, an guten Tagen für schlechte Tage vorzusorgen? Sollte man sich immer bewusst sein, dass man in einer trügerischen Ruhe lebt und der Sturm jederzeit losbrechen kann?
Meine Antwort ist ein entschiedenes Jein. Ja, es ist sinnvoll, an guten Tagen für schlechte vorzusorgen. „Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not“ „Vorsorge ist besser als Nachsorge“ – alte Sprichwörter, an dem Wahres ist. „Besser haben als brauchen“ ein anderes, von dem ich als als gnadenlose Entrümpelerin nicht ganz so begeistert bin. Was an seiner Berechtigung nicht viel ändert.
Ja, man sollte sich bewusst sein, dass das Leben in jeder Minute von links nach rechts gedreht werden kann. Aber nein, deswegen muss die Ruhe, die man sich erarbeitet hat, keine trügerische sein. Ich glaube, wenn man diese Ruhe vor dem Sturm Warnung eins zu eins auf das normale Leben überträgt, wäre das nicht auszuhalten.
Mein goldener Mittelweg: Ich bin dankbar für das, was ich habe. Vor allem für meine Familie, mein Zuhause, auch das schwimmende. Für die Zeit, die mir gehört und die ich nach meinen Vorstellungen nutzen kann. Ich nehme es aber auch sehr bewusst nicht für selbstverständlich. Ich weiß auch, dass nicht alles in meiner Hand liegt, ich kann nicht alles kontrollieren.
Aber ich kann nicht leben, wenn ich denke, jeden Moment kann alles zu Ende sein. Immer auf der Hut, immer im leichten Panik-Modus. Ich kann vorsorgen für schlechte Zeiten. Ich kann mich vorbereiten, auch mental für eventuelle Notfälle. Es gibt noch genug, was ich kontrollieren oder zumindest beeinflussen kann.
Wertschätzung auf der Suche nach dem Glück
Die beste Vorbereitung auf stürmische Zeiten ist meines Erachtens Wertschätzung dessen, was man hat. In diesem Zusammenhang fällt mir ein schöner Blogartikel ein, den ich vor einigen Wochen bei Nicole gelesen habe: auf der Suche nach dem Glück. Sie stellt dort auch die Frage, was für ihre Leserinnen und Leser Glück bedeutet.
Wenn man das mit der Frage zusammenbringt, ob die Ruhe vor dem Sturm Warnung auf das normale Leben zu übertragen ist, endet man schnell mit der These Glück ist die Abwesenheit von Unglück. Auch nicht ganz falsch, diese These. Aber sie trifft eben nicht alles. Ich schrieb Nicole dazu:
„Ich bin derzeit mit einigen Rahmenbedingungen sehr unzufrieden in meinem Leben. Aber dennoch bin ich nicht unglücklich, nicht einmal schlecht gelaunt. Diese Dinge fallen unter „das ist jetzt gerade so und da müssen wir durch“ und ich finde genug, um gut durch zu kommen. Weil es eben vieles gibt, was schön ist, vor allem, weil es den Kindern gut geht. Sicher ist Zufriedenheit ein Schlüssel zum Glück, aber auch Dankbarkeit, Wahrnehmungsfähigkeit, Wertschätzung für das, was man hat“
Insofern und nur insofern kann das Bewusstsein, dass sich auch die Wetterlage unseres Lebens jederzeit ändern kann, durchaus hilfreich sein. Meine Meinung.
Was meint Ihr dazu? Würdet Ihr die Ruhe vor dem Sturm Warnung auf Euren Alltag, auf Euer normales Leben übertragen ?
Hier geht es zu den aktuellen Blogartikeln
- Ruhe vor dem SturmDie Geschichte einer Wetterwarnung – und die Frage, ob wir auch im Alltag eine Ruhe vor dem Sturm Warnung brauchen. Leben wir in trügerischer Ruhe?
- Linear oder gestreamtBlogparade #relevant – mein Beitrag zur Frage linear oder gestreamt – wie schauen wir Fernsehen?
- 12 von 12 November 2025 – zwischen Korea und Dorfteichdie beliebte Blogparade – in 12 Fotos durch den 12ten November – bei uns zwischen Korea und Dorfteich
- Eine versteckte Botschaft am StegEin einsamer Morgen in friedlicher Natur – ich finde eine versteckte Botschaft. Lies hier die Geschichte und rätsel mit
- Durch den Monat gestürmt – so war der OktoberEin stürmischer Monat – Monatsrückblick Oktober – was außer der Zeit an Bord noch geschah
- Meine niederländische Wetter-App spricht unbeirrt Englisch mit mir. Dabei ist mein niederländisch viel besser als mein Englisch. ↩︎
Liebe Britta,
was das Wetter angeht, bin ich unendlich froh, in einer geographischen Zone zu leben, in der Naturkatastrophen so gut wie nie vorkommen, hoffentlich bleibt das noch lange so. Aus den Erzählungen der Gattin weiß ich, dass das nicht selbstverständlich ist.
Was das Leben betrifft, bin ich mir nicht sicher, inwieweit wir ob der ständigen Horror-Breaking-News nicht schon übersensibilisiert sind. Dass die Voraussetzungen im privaten (Wohl)Befinden jederzeit kippen können weiß ich aus eigener leidvoller Erfahrung; davor schützt aber auch keine Warn-App…
LG, Uli
Lieber Uli,
der Gedanke, den Du bezüglich der Naturkatastrophen formulierst, kommt mir auch gelegentlich. Das fällt mir auch oft ein, wenn ich mal wieder wegen des vielen grau hierzulande genervt bin. Deine Liebste kann da ganz andere Geschichten erzählen und ist sicher auch oft genug unruhig, wenn sie solche Warnungen für ihre Lieben in der alten Heimat sieht.
Ich bin mir nie so ganz sicher, welche Auswirkungen diese dauernden Horror-Breaking-News wirklich haben, im allgemeinen und speziell bei mir. Ich versuche, meinen Nachrichten-Konsum gezielt zu lenken, damit mich das nicht übersensibilisiert. Andererseits denke ich bei manchen auch, dass sie ob dieser Flut schon eher abgestumpft sind.
Hoffen wir, dass uns weitere Kipp-Punkte erspart bleiben – auch ohne Warn-App.
Liebe Grüße zu Euch
Britta
Ich hab es für mich immer nach dem Spruch – Wer nicht vorbereitet ist, ist bestens dafür vorbereitet, nicht vorbereitet zu sein – gehalten. Natürlich mit Augenmaß und nicht für jedes erdenkliche Szenario. Bin halt ein vorsichtiger Mensch, der ungern Risiken eingeht. Egal in welchem Bereich des Lebens. Damit bin ich immer gut gefahren.
Woher ziehst du deine Wetterinfos? Ich nutze die Windfinder App und WarnWetter vom DWD. Naja und was man sonst noch hat: Katwarn, Auswärtiges Amt … 🫣😅
Das ist auch ein super Spruch – den kannte ich noch gar nicht. Ist was dran :))
Auf manches bin ich auch vorbereitet, aber erstens kommt es anders und Du weißt schon.
Windfinder nutzen wir auch, ansonsten nutze ich seit jeher für beide Länder die App von Buienradar, dem NL Dienst. Die fand ich aber schon mal besser, das muss ich leider so sagen. Dies Jahr habe ich durch Zufall auf meinem Laptop die vorinstallierte MSN Wetter App gefunden und fand sie erstaunlich gut, weil sehr kleinteilig und detailliert. Der Gatte hat MSN jetzt als App, im bisherigen Vergleich des Jahres schneidet sie gut ab. Ansonsten schaue ich in NL immer auf die Dienste der lokalen Sender, also meist Omroep Fryslan. Was sonstige Warnungen angeht, habe ich keine App. In NL braucht man eh keine, da kriegt man die aufs Handy, ob man will oder nicht. Und in D hoffe ich, dass das Radio, die Nachbarn, der Mann, die Kinder mich schon informieren…. Auswärtiges Amt guck ich nur, wenn die Kinder mal wieder weltweit unterwegs sind. Trägt aber nur marginal zur Beruhigung bei.
„Die beste Vorbereitung auf stürmische Zeiten ist meines Erachtens Wertschätzung dessen, was man hat.“
Deinen Worten stimme ich absolut zu. Wenn man im Jetzt lebt, hat man wenigstens was davon.
Wirklich vorbereiten kann man sich auf Stürme im Leben nur schwer. Das ist wie Vorschlafen oder Voresse – hält nur höchstens für einen Tag.
In stürmischen Zeiten hilft es mir, bewusst Ruheanker einzubauen.
Hab ein schönes Wochenende!
Du sagst es, liebe Ines. „Wenn man im Jetzt lebt, hat man wenigstens was davon“ ist sehr wahr. Gefällt mir auch gut.
Vorschlafen klappt wirklich nicht, voressen schon mal gar nicht. Zumindest bei mir nicht :))
Liebe Grüße
Britta
Die Ruhe vor dem Sturm ist es ja dann, wenn man sich ziemlich sicher ist, dass dann auch ein Sturm folgt. Das ist in den meisten Fällen im normalen Leben ja nicht der Fall und da finde ich, kann man ruhig mal etwas entspannter an die Sache rangehen. Wir stressen uns doch eh schon viel zu viel im Alltag. Nur wenn sich jemand in falscher Sicherheit wiegt, ist die Warnung angebracht. Ganz aktuell wieder Sommerreifenfahrer die bei schönstem Sonnenschein nicht mit glatten Straßen am nächsten Morgen rechnen. Die Nachrichten klären ja mittlerweile immer wieder ganz genau auf, wie Blitzeis entsteht – wohl in der Hoffnung, dass die Leute da endlich mal ernst nehmen. Und nicht wie die deutschen Touristen ganz übermütig alle Vorsagen in den Wind schlagen – der einem dann besonders stürmisch um die Ohren pustet!
Liebe Grüße!
Liebe Britta,
das ist ja eine tolle Metapher. Die Ruhe nach dem Sturm von Boot auf das Leben zu übertragen!
Liebe Grüße!
Was den Sturm angeht sind wir hier im Norden ja erprobt. Auch die Ruhe vor dem Sturm kennt man hier. Im wahren Leben kann ich mich nicht auf alles vorbereiten. Dann müsste ich ja in einer Glaskugel leben und in diese hineinsehen können.
Liebe Grüße
Sabine